Vollzeit? Vereinbarkeit? Wie machst du das bloß?

Diese Frage verfolgt mich seit rund vier Monaten. Sie ist nicht böse gemeint, aber sie macht mich manchmal böse. Denn mein Mann hat diese Frage noch nie gehört. Eher die Variante: „Und wie macht deine Frau das?“ Und ich denke jedes Mal: Wieso ich? Wieso muss ausschließlich ich irgendwas machen, damit das funktioniert? Ja, seit vier Monaten arbeiten wir beide wieder in Vollzeit. Schneller als erwartet und irgendwie wurde ich ein bisschen überrumpelt. Aber so ist das Leben manchmal. Da kommt eine einmalige Chance daher und man muss sie ergreifen oder eben nicht. Ich habe sie ergriffen. Natürlich nicht, ohne den Familienrat vorher zu befragen. Mein Mann war sogar noch mehr dafür als ich. Vielleicht weil er mich sehr gut kennt und weiß, dass er mein Gejammer über eine verpasste Chance die nächsten zehn Jahre nicht hätte ertragen können. 

„Das ist aber heftig!“

Doch so richtig konnte ich mich anfangs über meine Beförderung gar nicht freuen, denn vom Personalchef über Kollegen bis hin zu Bekannten hörte ich nicht „Glückwunsch“, sondern ungläubiges „Und wie machst du das dann?“ oder „Krass!“ oder „Das ist aber heftig!“. 

Mir war dabei nur eines wichtig: Meine Tochter soll darunter nicht leiden und uns beide nicht weniger sehen. Das klappt, weil mein Mann im Schichtdienst arbeitet und sehr häufig schon mittags wieder daheim ist. Da klappt auch, weil ich Homeoffice mit flexiblen Arbeitszeiten kombinieren kann. Das klappt, weil ich die ersten Mails verschicke, wenn mein Kind morgens noch schläft. Aber es klappt nur, weil wir beide ganz viel dazu beitragen und zwar 50/50. Und deswegen macht mich diese Frage „Und wie machst du das?“ so mürbe. Denn mein Mann tut dafür genauso viel wie ich. Manchmal glaube ich, dass er sogar noch mehr macht, aber das sage ich ihm lieber nicht.

„Ich könnte das nicht!“

Und ja: Es ist anstrengend. Sehr sehr anstrengend. Aber für uns beide. Dennoch würde nie jemand auf die Idee kommen, meinen Mann zu fragen, wie er das denn so hinkriegt mit seiner Vollzeitstelle. Keiner fragt, ob er sein Kind tagsüber nicht vermisst. Doch das tut er. Genau wie ich. Seine Kollegen sagen nicht: „Ich könnte das ja nicht!“.

Ich muss ganz ehrlich sagen: An manchen Tagen kann ich es auch nicht. Und mein Mann genauso wenig. Wenn wir eine doofe Nacht hatten mit wenig Schlaf. Wenn wir alle abwechselt über Wochen krank sind. Wenn wir einfach nur unendlich müde sind. Wenn ich im Büro sitze und er mir ein Bild von meiner lachenden Tochter im Schnee vor den Pinguinen im Zoo schickt. Dann frage ich mich selbst „Wie machst du das bloß?“. Aber ich darf mich das fragen. Und ich glaube, diese Momente haben alle Eltern. 

 

Zerstörte Illusionen Teil 1: Baby als Beziehungsretter

Unter dem aufbauenden Titel „Zerstörte Illusionen“ möchte ich eine Blogreihe in loser Reihenfolge starten. Denn als Muddi bekommt man vor allem eines direkt am Anfang: einen gehörigen Realitycheck! BÄM! Da wird einem die rosarote Brille vom Kopf gerissen. Da werden romantisierte Vorstellungen im Keim erstickt, urbane Legenden widerlegt und einem völlig unrealistische Überlieferungen schön um die Ohren gehauen. Klatsch! Da haste den Salat und die Suppe kannste auch schön selber auslöffeln – falls du noch dazu kommst.

Muhaha.

Ich möchte hier nicht die Frau Dr.Evil der Muddi-Blogs spielen, aber manchmal geht es nicht anders. Doch „Zerstörte Illusionen“ haben auch etwas Positives – sie machen Platz für die Realität. Für das Wissen, das man plötzlich hat und mit dem Geheimbund – quasi den Illumintaten of Motherhood – teilt. Und das ist toll. Wenn da mal wieder so eine ahnungslose Erst-Schwangere von ihren Plänen für die Elternzeit (Latte Macchiato trinken, Fotobücher machen und eine Weltreise mit Baby) berichtet, dann lacht die Dr.Evil in mir. Dann muss ich anderen anwesenden Muddis nur wissend zunicken.

Muhaha.

Träum weiter. Das Witzige daran: nur wenige Monate zuvor war ich eine von ihnen. Ahnungslos. Naiv. Unvorbereitet. Ich denke – das war auch gut so. Das ist so etwas wie der „Circle of life“. Ahnungslosigkeit sichert den Bestand unserer Spezies. Ach ja, und: Hormone.

Erst-Schwangere können somit ruhig über das richtige Nachthemd philosophieren, welches sie bei der Geburt tragen wollen, über Wege einer schmerzfreien Geburt sinnieren oder ihre Pläne für das Abstillen nach sechs Monaten und den schnellen Wiedereinstieg in den Job kund tun – ich kommentiere das nicht. Auch, wenn ich nun weiß, dass meist doch alles anders kommt und dass die meisten Pläne von vorher recht schnell über den Haufen geworfen werden. Nur bei einer Sache schrecke ich hoch – wie aus einem Traum, der durch Babygeschrei unterbrochen wird: Wenn Frauen der Meinung sind, dass ein Baby eine Beziehung retten kann.

Muhaha.

Ne, das ist nun wirklich bullshit. Denn mit dem Zeugungsakt ist der mega romantische Part der ganzen Nummer auch erstmal vorbei. Gut, bei einer unkomplizierten Schwangerschaft ohne Kotzerei vielleicht auch erst danach. Aber mit der Geburt ist der romantische Teil dann wirklich over. Meine Hebamme berichtete mir von Beziehungen, die sogar schon an der Geburt selbst gescheitert sind. Man(n) sieht und erlebt vielleicht Dinge, die er/sie nicht verarbeiten kann. Wobei so ein Erlebnis auch zusammen schweißen kann. Aber eine angeschlagene Beziehung retten? Das glaube ich nicht. Gerade die erste Zeit mit Baby stellt eine Partnerschaft ziemlich auf die Probe. Schlafmangel, die völlige Umstellung des Lebens von heute auf morgen, die Aufgabe vieler Freiheiten, die Verantwortung…ja, genau: sexy klingt anders. Von Äußerlichkeiten und dem Zustand des Körpers mal ganz zu schweigen. Zweisamkeit steht erst einmal hinten an. Man muss sich als Paar neu arrangieren. Neu finden. Das ist manchmal mega anstrengend. Mit dem falschen Partner ist das sicherlich die Hölle. Denn man merkt in dieser Phase sehr schnell, ob man gut zusammen passt oder nicht. Denn es ist eine echte Bewährungsprobe.

Aber: (es gibt bei meinen Texten irgendwie immer ein Aber fällt mir gerade auf) es kann eine Beziehung auch festigen. Wenn man nach einer Woche in der Zahnungshölle um 3 Uhr morgens mit dem schreienden Kind auf dem Arm noch einen blöden Witz machen kann. Wenn man erschöpft mit dem wehrigen Kind in der Mitte und einem Fuß im Gesicht noch kurz vor dem Wegdösen dem anderen über die Hand streicht. Wenn man weiß, dass der Andere nicht mehr kann und man – obwohl man selbst auch nicht mehr kann – den Partner schlafen lässt. Wenn man zufällig gemeinsam die ersten Schritte des Kindes beobachtet und zusammen vor Freude ausrastet. Dann macht es die Zickereien nach einer durchwachten Nacht oder den Frust über einen beschissenen Tag mit Essensverweigerung und einem mittelschweren Wachstumsschub inklusive Wutanfall wieder wett. Dann weiß man ein Abendessen in einem Restaurant zu zweit wieder zu schätzen. Aber reparieren kann das alles eine Beziehung nicht. Der Alltag kann schon eine ziemliche Bitch sein. Somit wird Frau Dr.Evil wohl zur Sprechstunde bitten müssen, wenn sie hört, dass jemand glaubt, dass ein Baby ein Beziehungsretter ist…ein Baby ist und kann vieles, aber das nun wirklich nicht.