Nach dem Kind ist vor dem Kind? Ein Plädoyer für Einzelkinder!

Fünf mal wurde ich in der vergangenen Woche gefragt, ob ich noch ein zweites Kind haben will bzw. wann ich mein zweites Kind bekomme. Das ist Rekord. Normalerweise höre ich diese Frage ein bis zwei Mal im Monat. Es stört mich ja nicht, mit guten Freunden über Kinderwunsch und Familienplanung zu reden. Aber es nervt mich, wenn mich alle möglichen Leute darauf ansprechen. Was mich aber noch mehr nervt ist, dass wenn ich mit „Ich weiß noch nicht, ob ich überhaupt ein zweites Kind möchte!“ antworte, meist Entrüstung ernte. Eine Kollegin sagte letztens auf einer Party ganz empört: „Das kannst du doch nicht machen! Deine Tochter soll doch kein Einzelkind sein. Kinder brauchen doch Geschwister!“ Ein Versicherungsvertreter, sagte ein paar Tage später sogar: „Sie sollten am besten jetzt direkt nachlegen. Kein Mensch will ein Einzelkind und dann ist das mit dem Altersabstand nicht so doof!“ Ich danke diesen Menschen für ihren Input. Aber eigentlich möchte ich von relativ fremden Leuten keine Meinung zu meiner Familienplanung hören.

Außerdem möchte ich an dieser Stelle mal eine Lanze für alle Einzelkinder da draußen brechen! WIR HABEN EUCH LIEB! Warum nimmt man immer an, dass Kinder bessere Menschen werden, wenn sie Geschwister haben. Einzelkinder haben einen miesen Ruf. Sie seien egoistisch und hätten Defizite im Sozialverhalten heißt es dann immer. Ich kenne Einzelkinder in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Das sind alles recht normale Leute. Andersherum kenne ich aber sehr viele Menschen, die Ärger mit ihren Geschwistern haben. Zerstritten sind, ums Erbe streiten oder einfach keinen Draht zueinander haben.

Und dann diese Diskussionen um den richtigen Altersabstand zwischen Geschwistern. Letztendlich ist es egal. Geschwister, die nur zwei Jahre auseinander sind, haben manchmal gar keinen Bock miteinander zu spielen. Man kann so etwas eben nicht planen. Jedes Kind ist anders. Jeder Mensch ist anders. Ich liebe meine Schwestern und bin froh, sie zu haben. Sie sind sieben und neun Jahre älter als ich und das hat für mich nie einen Unterschied gemacht. Ich hatte immer große Schwestern, die für mich da waren oder mich eben geärgert haben. Es hätte aber auch sein können, dass wir uns total ätzend finden. Ich hatte eine allerbeste Freundin als Kind, die war im gleichen Alter, wohnte nebenan und sie war wie eine Schwester für mich. Wir haben alles zusammen gemacht und waren sogar gemeinsam im Urlaub. Sie war Einzelkind. Sie war jeden Tag bei uns. Manchmal macht es eben keinen Unterschied, ob Freundin, Cousine oder Schwester. Natürlich ist es schön zu wissen, dass jemand da ist und ich empfinde Geschwister als Bereicherung, dennoch glaube ich nicht, dass ich meinem Kind seelischen Schaden zufüge, wenn es Einzelkind bleibt. Es bekommt Liebe und wächst in einer großen Gemeinschaft aus Eltern, Großeltern, Tanten, Onkels, Freunden und ganz vielen Cousins und Cousinen auf – darauf kommt es an.

Außerdem möchte ich dann ein Kind bekommen, wenn wir als Familie dafür bereit sind und wenn ich es wirklich möchte. Nicht, weil man zwei Kinder haben muss. Wie oft höre ich den Satz: „Am besten kriegt man die zwei schnell hintereinander weg, dann hat man es hinter sich!“ Ich will Kinder gar nicht „schnell hinter mich bringen“. Entweder bekomme ich welche, weil ich das unbedingt will oder ich lasse es bleiben. Letztens hat eine Mutter aus dem Pekip-Kurs ihre erneute Schwangerschaft so verkündet: „Ich hab mir gedacht, ich will es jetzt schnell weg haben, dann hab ich in vier Jahren vielleicht wieder Zeit für mich!“ Das ist eine grauenhafte Aussage. Klar, schreiende Babys und schlaflose Nächte sind nichts, worauf man sich total freut, aber man muss ja keine Kinder kriegen. Niemand zwingt uns. Man muss auch keine zwei Kinder haben, weil man das eben so macht. Wenn ich ein zweites Kind bekomme, dann, weil mein Mann und ich es wirklich wollen. Beide. Ich muss das von innen heraus fühlen und nicht, weil ich auf den perfekten Altersunterschied hin arbeite oder weil ich es muss. Vielleicht kommt dieses Gefühl nächste Woche, vielleicht nie, aber dann ist das so. Dann kann es ja auch immer noch sein, dass es gar nicht klappt. In der Zwischenzeit mache ich mir einen Spaß daraus und „schocke“ Leute mit der Aussage, dass ich schon immer ein Einzelkind haben wollte.

18 Antworten auf „Nach dem Kind ist vor dem Kind? Ein Plädoyer für Einzelkinder!

  1. Hör bloß auf. Bei mir fragen auch alle nach dem zweiten. Bei meinen Altersgenossen (25) setzt man noch nicht mal eines voraus, und ich soll am besten gleich nachlegen. Jetzt hab ich einmal angefangen, jetzt muss ich das auch fortführen, anscheinend.

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  2. Unterschreibe ich sofort so. Was „man“ so macht, geht mir (und meinem Mann) eh auf den Geist. Viele reflektieren so gar nicht und machen einfach. Ob ihnen selbst, ihre Partner und ihre Partnerschaft ein weiteres Kind gut tun würde, wird nicht mal hinterfragt! Finde ich erschreckend. Ich sage inzwischen knallhart: „Wir möchten kein zweites Kind, wir finden das eine anstrengend genug.“ Dann gucken alle blöd und trauen sich nicht mehr, noch was zu sagen.

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    1. Unsere Gesellschaft ist besessen von Zwei-Kind-Familien. Keins ist egoistisch, eins ist zu wenig und wer mehr als drei hat, wird auch wieder komisch angeguckt. Deswegen: Richtige Einstellung – einfach mal den verbalen Mittelfinger zeigen;))

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  3. Ich drucke jetzt einfach deinen Artikel aus und verteile ihn wortlos an alle, die diese dämliche Frage stellen. Ich muss mich dann auch immer halb rechtfertigen, kein zweites Kind zu haben. Ich will nicht mit Leuten über meine Gesundheit, mein Alter, unsere Situation und was man sich eben noch so überlegt, bevor man schwanger werden mag, reden. Ich möchte auch nicht, dass das Kind gefragt wird: „Und, willst du noch ein Geschwisterchen?“ Als wäre ich eine Muttimaschine, die nicht liefert….

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    1. Kann ich verstehen! Es ist ja eben auch so, dass manchmal ja auch medizinische Gründe dahinter stecken. Nur, weil man ein Kind hat, heißt es ja nicht, dass es kein Problem ist, weitere Kinder zu bekommen.

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  4. Sehr schön geschrieben. Würde ich so unterschreiben. Dass es eine bewusste Entscheidung ist,“ nur“ ein Kind zu wollen, ist in vielen Köpfen schwer vorstellbar. Da wird einem „Egoismus“ vorgeworfen, weil man seinen jetzigen Lebensstandard nicht verändern möchte. „Wo ein Kind satt wird, werden auch zwei satt!“ Bla Bla Bla. Ich glaube, auch ein zweites Kind kostet Geld. Und auch einem zweiten Kind möchte man Dinge ermöglichen.
    Dann sind wir eben egoistisch. Verziehen unser Einzelkind zu einem verwöhnten Balg, weil wir viel unternehmen und oft wegfahren. Dann ist das eben so. Die Idee, deinen Artikel auszudrucken und kommentarlos zu verteilen, wenn das Thema aufkommt, finde ich fantastisch 😂
    Danke für diesen Blogbeitrag!

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  5. Ich muss grundsätzlich sagen, dass ich bei beidem etwas Egoistisches finden kann: zu sagen, man will nur ein Kind (denn ich finde es tatsächlich schade für das Kind und glaube, dass die Auseinandersetzung mit einem Geschwisterkind schon gut sein kann für … naja, für’s Leben halt und für die Fiesigkeiten, die es so bereit hält) und zu sagen, ich bekomme jetzt schnell Kinder hintereinander weg, dann hab ich’s hinter mir. Und das ist doch auch gut so, dass bei beidem etwas Egoistisches dran ist, mein ich. Lasst doch Mütter auch mal das tun, was für sie gut ist und nicht was andere für gut befinden. Während Du Dich also dafür entscheidest erst mal kein Kind mehr zu bekommen, habe ich mich dazu entschieden, jetzt „schnell“ noch eins zu bekommen, damit ich tatsächlich irgendwann mal keine Windel mehr wechseln muss und auch irgendwann mal wieder Zeit haben kann, Dinge zu tun, die NUR mir gefallen. Rumsitzen zum Beispiel. Meinen Kaffee austrinken. Sowas. Vielleicht, und das ist jetzt mal nur so mein Gedanke, sollten wir alle einfach nicht so hart mit den Muttis ins Gericht gehen, die die Dinge anders handhaben als wir selbst. Ein Mutti-Peace, sozusagen.

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    1. Ich finde beide Ansätze völlig legitim. In Ruhe Kaffee trinken, ist heilig👍 Mein Text zielt auch eher auf das ständige Nachfragen und Bohren von außen…außerdem heißt es in meinem Text gar nicht, dass ich keine Kinder mehr will, sondern, dass ich keinen Bock mehr habe, dazu befragt und belehrt zu werden.

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  6. Und dann pass mal auf was passiert, wenn du zwei Kinder hast: Du wirst ständig gefragt, wann das Dritte kommt!!! Da denkst du, du hast deinen Soll mit zweien erfüllt und bist endlich die blöden Nachfragen los und dann geht’s grad munter weiter!!!

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  7. Ich werde zum Glück selten nach einem weiteren Kind gefragt, ich wollte immer nur ein Kind und mein Mann sieht es genauso. Wir sind beide selber Einzelkinder und haben Geschwister nicht vermisst oder unbedingt welche gewollt. Daher werden Vorurteile über Einzelkinder auch entsprechend patzig mit dem Hinweis, dass ich selber eins bin beantwortet. Das hat bis jetzt immer zu betretendem Schweigen geführt.

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  8. huhu, stoße gerade auf diesen Artikel, da mich das Thema Einzelkind oder doch noch ein zweites bekommen schwer beschäftigt. Ich werde, obwohl meine Tochter schon drei ist, sehr selten danach gefragt (und dann auch nur von Freunden), obwohl alle um mich herum ein zweites bereits haben oder zumindest fest einplanen. Ich persönlich habe lange Zeit ausgeschlossen ein zweites Kind zu kriegen, da ich mit dem einen (Schreikind, sehr fordernd und bedürftig) schon permanent am Limit bin (trotz riesen Unterstützung von meinem Mann). Ab und zu gerate ich aber auch ins Wanken, angesteckt von all den Babies um mich herum und dem diffusen Gefühl, gesellschaftlicher Druck, das einzige Einzelkind weit und breit zu haben, (was natürlich völliger Quatsch ist.) Dann kann ich es mir ein, zwei Tage ganz gut vorstellen, bis ich wieder von meinem einen Kind völlig überansprucht, das Gefühl habe, zwei nervlich und kräftemäßig einfach nicht zu schaffen und dann der ersten nicht mehr gerecht zu werden… und ob die sich verstehen, da steckt man nun wirklich nicht drin. habe selbst ein eher schwieriges Verhältnis meiner jüngeren Schwester gegenüber und denke als Einzelkind wäre ich vielleicht besser dran gewesen… Aber trotzdem, das blöde Gefühl, die richtige oder falsche Entscheidung zu treffen bleibt immer da, es ist ja schließlich eine Entscheidung fürs Leben. Und die Gedanken an ein zweites Kind, dieses Wunder nochmal erleben zu dürfen, verschwinden nie ganz. Und dann die Angst sich damit völlig zu übernehmen und der ersten eventuell ein Trauma zu bescheren, die Gedanken drehen sich permanent im Kreis. Sehr anstrengend! Und bei all dem seine wahren Gefühle und Wünsche zu identifizieren, schwierig! Aber ganz tief in mir drin habe ich das Gefühl, dass für mich ein Kind reicht…und meine Aufgabe ist, damit glücklich und zufrieden zu sein. Und dann wird wieder eine Freundin schwanger und die Hirnspirale fängt wieder an sich zu drehen, was wäre wenn, ….. bäm!

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    1. Danke, dass du deine Gefühle und Erfahrungen so offen beschreibst. Ich glaube es geht vielen so. Mir manchmal auch…ich kenne viele Eltern mit zwei Kindern, die ständig am Limit sind und viel meckern, deswegen bin ich auch hin und hergerissen. Ich glaube, dass der gesellschaftliche Druck unterbewusst immer rein spielt. Deswegen muss man wohl versuchen, ganz tief in sich hinein zu horchen und dann zu tun, was man als Mutter und auch als Paar selbst wirklich will. Und dann ist es auch das Richtige….

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      1. Danke für Deine Worte. Ja, das stimmt. Entweder es kommt, das ganz sichere Gefühl „es“ wirklich wirklich zu wollen, mit allem was es mit sich bringt und nicht nur, weil „alle“ das so machen oder das Gefühl kommt eben nicht. Und dann ist es genau so gut wie es ist… puh, gar nicht immer so einfach 😉 aber schließlich ist es ja mein/unser Leben und nicht das der anderen.

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