Gibt es Arschlochkinder wirklich?

Kinder sind für mich unschuldige und reine Wesen, die als Babys gut riechen und die einen (abgesehen von Schlafmangel und Co.) tierisch glücklich machen. Gut, später riechen Kinder nicht mehr so gut und haben immer irgendwas im Gesicht kleben, aber das tut hier nichts zur Sache. Sie sind gut. Unverdorben. Kinder können nicht schlecht sein. Sie können nicht böse sein. Egal, wie viele Horrorfilme man geguckt hat. In der Realität sind sie einfach erst einmal gut. Erst einmal. Aber wann fängt das an, dass sie das vielleicht nicht mehr sind? Ich bin mir unschlüssig. Vielleicht auch naiv. Das Wort ‚Arschlochkind‘ fand ich immer irgendwie amüsant. Meist aber eher in einem sarkastischen und überspitzten Kontext. Ansonsten fand ich den Ausdruck eher fies.

Nun bin ich kürzlich mit meiner Familie in eine Situation geraten, die mich an meiner Grundthese zweifeln lässt. Auf einem Sommerfest spielte unsere Tochter (15 Monate alt) selig mit XXL-Duplosteinen. Ein großer Spaß, bei dem Oma, Papa und Mama halfen, riesige Türme zu bauen. Drei Jungs neben uns bauten eine Festung mit den Steinen. Eine Weile koexistierten wir und einige andere Kinder alle friedlich nebeneinander. Doch dann gingen dem Trio die Steine aus. Und von da an lief irgendetwas schief.

Survival of the biggest. Denn die großen Jungs, die so zwischen 6 und 8 Jahre alt waren, fingen nun an, systematisch den anderen Kindern die Steine zu klauen. Erst noch subtil. Wir lachten darüber, wie sie sich anschlichen und Steine stibitzten. Dann wehrten sich erste Kinder. Erst verbal. Dann wurde das Trio handgreiflich. Ich ermahnte einen der Jungs, der Justin hieß und sich irgendwann Zähne fletschend auf einen kleinen Jungen stürzte. Keine Reaktion.

Und plötzlich wurde unsere Tochter zum Ziel. Sie wuselten wild um sie herum, zerstörten ihren Turm, klauten Steine, traten ihr dabei fast auf ihre kleine Beinchen, rempelten sie an. Unsere kleine, süße, unschuldige Tochter saß nun perplex da, umringt von diesen Aggro-Kindern und verstand die Welt nicht mehr. Wut kroch in mir hoch. In meinem Mann sah ich es ebenfalls brodeln und Oma fing plötzlich an, die Steine zu verteidigen und den Jungs wieder abzunehmen, hinter ihnen zu rennen. Jeder Versuch, die Jungs in ruhigem Ton zur Raison zu bringen, scheiterte. Sie wurden immer aggressiver. Wir innerlich auch. Puh, wie schwierig es ist, cool zu bleiben, wenn man beobachtet, wie das eigene Kind geärgert wird.

Die Eltern des Terror-Trios waren nicht in Sicht. Justin rastete schließlich aus. Schlug um sich. Schimpfte. Kloppte sich mit den anderen Jungs. Unsere Tochter hatten wir zu dem Zeitpunkt in Sicherheit gebracht. Sie tat mir Leid. Und: Ich war erschrocken darüber, wie aggressiv Kinder in dem Alter schon sein können. Und: wie wenig Respekt sie vor Erwachsenen hatten. Wir überließen ihnen das Feld. Ein Kriegsschauplatz in Miniaturformat. Zum Abschied ließ Oma trotzig einen ihrer Festungstürme zusammenstürzen. Es war albern und vieleicht auch pädagogisch wenig wertvoll, aber ich war stolz auf sie. Die Jungs guckten uns mit zusammengekniffenen Augen nach. Justin sah sogar so aus, als müsste er gleich weinen. Ich schämte mich für den Anflug von Genugtuung, den ich verspürte. Dann hatte ich Angst, dass sie sich nun auf uns stürzen könnten. In diesem Moment dachte ich: „Das müssen wohl die sagenumwobenen Arschlochkinder gewesen sein. Es gibt sie doch!“ Und: sie tun mir unendlich Leid.

37 Antworten auf „Gibt es Arschlochkinder wirklich?

  1. Ich denke die Kinder machen es nicht nur einfach so. Die Eltern tragen da auch einen großen Teil bei. Finde es aber schon erschreckend, das sie immer jünger werden und so frech sind. Hier bei uns gibt es davon sehr sehr viele

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      1. Ich denke die Erziehung macht schon vieles aus. Genauso die Vorbildfunktion. In jungen Jahren kann man da noch sehr viel machen bzw. versauen

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  2. Oh ja, davon gibt es so einige Prachtexemplare. Sicherlich tragen Eltern auch ihren Teil dazu bei, dass Kinder so werden. Aber warum sollen uns Kinder immer sympathisch sein und warum dürfen wir manche nicht auch einfach doof finden ? Sind auch Menschen…halt im Kleinformat ,aber ebenso mit einer eigenen Meinung und eigenen Charakterzügen, wie die größere Version von Menschen .

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      1. Gute Frage…Auch negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit und hinter solch einen Verhalten steckt ja meist auch eine Intension. Das kann der Wunsch nach Begrenzung sein; das aufmerksam machen auf sich selbst; Unausgeglichenheit; Wut, Provokation,Trauer und/oder der (noch) nicht erlernte Umgang mit solchen Gefühlen. Es kommt ja auch immer auf das Alter an, aber von einem sechsjährigen kann ich schon erwarten, dass er weiß, wie er kleineren Kindern weh tut. Seine Fähigkeit zur Empathie ist ja theoretisch schon vorhanden. Daher sind solche Provokationen dann ja schon bewusste Handlungen. Und ich finde, wenn ein Kind mit dem Wissen darum, dass es andere verletzen kann, so handelt, braucht es eine ganz klare Ansage. Ich bin keine, die bei jedem Streit von Kindern dazwischengeht und schlichtet, aber die Ebene der Kinder sollte in etwa gleich sein. Bei einem sechsjährigen und einem noch nicht mal 1 1/2 jährigen Kind ist das nicht der Fall. Dann bekommen solche Kinder auch schon mal eine Ansage von mir, aber manchmal ist man in solchen Momenten auch einfach so perplex, weil man so eine „Unveschämtheit“ ja nicht erwartet, dass man gar nichts sagen kann. Dass deine Mama den Turm der Kinder umgeschmissen hat, zeigt einfach, dass Schlagfertigkeit das ist, was einem fünf Minuten später einfällt 😉

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      2. Würde mich mal interessieren, wie bewusst Kinder in dem Alter ihre Handlungen schon reflektieren. Bei jedem kleinen Streit würde ich auch nicht dazwischen gehen. Da bleibt man dann ja dran…als ich gehört hab, dass der Junge Justin heißt, hab ich nur gedacht: „Jetzt echt Leute. Muss hier jetzt jedes Vorurteil bedient werden?“

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  3. Neulich schlenderten wir mit Mini (21 Monate) durch die Fußgängerzone. Ein Opa mit zwei Jungs so ca. 4 Jahre kam uns entgegen. Soweit nicht außergewöhnlich. Wie aus dem Nichts, schubste einer von denen unseren Mini brutal um und lief laut lachend weg. Mini verstand nicht, was los war und versteckte sich hinter uns. Ich war zu perplex, um etwa zu sagen und starrte nur. Immerhin forderte der Opa den Jungen zu einer Entschuldigung auf. Dass er uns dann noch die Zunge heraus streckte, war die Krönung. Klar liegt es an der Erziehung, aber ich mag solche Kinder gar nicht leiden. Auch kleine Menschen können richtig fies sein.

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  4. Was uns fehlt, ist, dass wir Kinder ernst nehmen. Diesen Fehler begehen sie untereinander eigentlich nicht. Kinder nehmen andere Kinder als vollwertige Mitmenschen wahr. Und die können sich mögen oder nicht. Als Erwachsene erkennen wir den Vorteil, den größere Kinder haben. Sie sind stärker, wortgewandter und schneller. Kinder erkennen diesen Vorteil und nutzen ihn aus. Nur der Erwachsene als Supermacht kann ihnen Einhalt gebieten, eigentlich. Für einige Kinder bröckelt diese Supermacht *Erwachsener* aus den traurigsten Gründen früh. Da hast du dann plötzlich kein Kind mehr vor dir, dass allein schon wegen deiner Worte als *Supermacht* (auch als fremde *Supermacht*) Respekt hat. Das tut mir dann für diese Kinder auch sehr leid, denn die Revolution sollte erst später kommen und ihre Reaktion zeigt nur, dass sie haltlos sind. Trotzdem muss man Kinder (auch die netten) ernst nehmen. Und das bedeutet für mich auch, dass ich einige nicht mag. Sie machen nichts falsch, sie sind sogar ganz nett, aber ich mag sie nicht. Und sie mich meistens auch nicht. Wenn wir zusammen treffen, ignorieren wir uns dann höflich. Manchmal mögen sie mich aber, aber das ist ok. Ich bin keine potentielle Freundin, ich bin eine Erwachsene und kann mich ihnen gegenüber korrekt verhalten. Ich bin mit den Müttern befreundet. Bei einem speziellen Freund meiner Kinder denke ich mir: Was findet ihr an dem so toll? Aber sie haben den Fetzen Spaß miteinander. Ich muss ja nicht alles verstehen. Und das ist für mich immer so das Beispiel im Kopf. Menschen sind unterschiedlich. Und wenn man Kinder ernst nimmt, so gilt das auch für Kinder.

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  5. Arschlochkinder gibts… Glaub mir ich arbeite im Kindergarten und ich kenne einige… Schuld daran haben aber in der Regel die Eltern, denn niemand ist ohne Grund so aggressiv und fieß.
    Die meisten tun mir sogar ein bisschen leid, denn sie werden von ihren Eltern weder beachtet noch gewollt. Klar finde ich Arschlochkinder deswegen nicht liebenswerter, aber es ist eben kein Kind einfach nur so von Geburt an fieß.
    LG
    Daniela

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  6. Ich glaube, dass ich in der Erziehung vieles – nicht alles – richtig mache, sehr reflektiert an die Sache herangehe. Tja, und trotzdem schaut bei den Jungs hin und wieder das Arschloch vorbei … Habe ich versagt? Ich denke, die alleinige Schuld den Eltern in die Schuhe zu schieben, ist zu einfach. Schublade auf, Schublade zu. Das greift zu kurz. Es ist immer ein Mix aus mehreren Faktoren: Charakter, Gesellschaft, Situation und – klar- auch den Eltern.

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  7. Hahahhaha ich habe grade tränen gelacht! Vorallem dass es nicht nur mir so geht- wie man plötzlich hilflos solchen 8 jährigen gegenübersteht. Bei denen jede Vernunft, alles Gerede, jede Drohung und nichts mehr hilft. Und die Oma ist megacool! Manchmal ist Flucht das beste….

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  8. Nachdem einer meiner Zweitklässler sich vor der Mitschülerin auf den Stuhl gestellt hat, seine Hüfte bewegte mit den Worten:“ich klatsch dir gleich meinen P**(sehr umgangssprachliche Bezeichnung für das männliche Geschlechtsteil) ins Gesicht!“ Und sich dann weigerte, wieder vom Stuhl herunterzukommen, fragte ich mich, wie es wohl anderswo läuft, wenn das schon ein „gutes Einzugsgebiet“ ist…

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  9. Wieso sollte es nicht Kinder geben, die von Geburt an fies sind? Gibt es dazu Studien? Ich habe 4 jährige Zwillinge und sie sind sehr oft Arschlochkinder. Zerstören mutwillig Sachen, sind frech und benutzen Schimpfwörter. Und klar sind daran immer die Eltern schuld, ist ja das Einfachste. Ich habe meinen Kindern aber sicherlich nicht beigebracht, das sie böse sein sollen und mit Absicht Sachen kaputt machen sollen. Aber was soll man machen, wenn sie sich rotzfrech benehmen und das einzig Richtige wäre, ihnen den Arsch zu versohlen, was man ja nicht darf. Auch in der Schule meines Sohnes git es ein paar Kinder, die es einfach nicht begreifen und immer wieder auffallen. Es gibt nun mal solche Kinder und man muss mit ihnen leben. Und jede Mutter, die sich über solche Kinder aufregt, der wünsche ich von Herzen solch ein Kind. Damit sie mal selber erlebt, das es nicht immer an der Erziehung liegt.

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    1. Ich bin ganz deiner Meinung – es gibt Kinder, die haben einfach einen AK-Charakter! Von Geburt an, da gibt es nichts zu bezweifeln!!! Und nur Eltern, die solch ein Kind haben, wissen das. Alle anderen, die mit „braven“ Kindern gesegnet sind, wissen gar nicht wie gut sie es haben!!!!! Und natürlich ist es das einfachste, den Eltern und ihrer Erziehung die Schuld zu geben…typisch für Menschen, die vom Problem absolut keine Ahnung haben.
      Ich habe bereits zwei erwachsene Kinder, die waren NIE AK-Kinder und meine beiden jüngeren (8 und 6 Jahre) sind leider solche AK-Kinder. Der 6jährige am meisten! Als ich noch keine Mutter war, dachte ich auch immer, dass die Eltern Schuld daran hätten, wenn mit den Kindern irgendetwas schief läuft. Doch nun weiß ich es besser! Und auch ich wünsche mir, dass jeder, egal ob eine (kinderlose) Erzieherin im Kiga, eine (kinderlose) Lehrerin in der Schule oder auch nur irgendeine (kinderlose) Passantin ebenfalls solch ein Kind bekommt!!!!!

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      1. Diese Argumentation erinnert mich an ADHS Diagnosen. Da können die Eltern auch immer wunderbar die Schuld von sich auf andere schieben. Wenn du deinem Kind nicht beibringen kannst, wie man sich benimmt, dann bist du Schuld. Basta.

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    2. Ich bin ganz deiner meinung ivonne. Aber selbst wenn man ihnen den arsch versohlen dürfte, glaubst du denn das das bei solchen „Arschlochkindern“ noch was bringen würde, also das sich dadurch ihr Verhalten prompt ändern würde?

      LG

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      1. Nur mal so am Rande: Niemand sollte jemals irgendeinem Kind Gewalt antun – egal wie fies und/oder nervig dieses Kind ist. Somit hoffe ich, dass das nur metaphorisch gemeint ist mit dem ‚Arsch versohlen‘! Sorry Leute, aber da bin ich extrem empfindlich.

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  10. Ja, es gibt Kinder, die aggressiver sind als andere, ohne Zweifel. Und es gibt welche, die keinen Respekt vor Erwachsenen an den Tag legen. (was man bei manchen Erwachsenen allerdings auch durchaus nachvollziehen kann!)….wenn jetzt hier aber schon ein Vierjähriger (!!) zum Arschlochkind ernannt wird, weil er eine Zweijährige schubst und den, sicher offensichtlich verärgerten, Eltern derselben nach der vom Opa (zu Recht) erzwungenen Entschuldigung die Zunge rausstreckt….dann kann ich den Eltern der knapp Zweijährigen nur raten, noch ein paar Monate zu warten, bevor sie sich selbstgerecht als Nichtarschlochkindeltern aus dem Fenster hängen! Kinder sind zunächst per se unschuldig, weil sie von Schuld und Unschuld noch keinen Begriff haben. Deshalb sind sie aber noch lange nicht von Geburt aus liebe, nette, agressionsfreie Wesen. Wie Nichtnettsein ankommt, beantwortet oder geahndet wird, muß ein Kind auch erst lernen. Ein Vierjähriger ist da, egal wie liebevoll und pazifistisch seine Erziehung auch ablaufen mag, auf jeden Fall in der Ausprobierphase. Und in die wird die unschuldige Zweijährige auch bald kommen. Vielleicht schubst sie dann niemand, aber kneift. Oder macht irgendwas Anderes, was man nicht sonderlich niedlich finden kann. Ein Arschlochkind ist sie deshalb noch lange nicht. Eins werden kann sie allerdings noch. Und die Haltung „mein Kind ist unschuldig, die Arschlöcher sind immer die Anderen“ könnte durchaus dazu beitragen.

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    1. Interessanter Aspekt! Es ist erstaunlich, wie viele Facetten und Sichtweisen das Thema bietet. Hätte ich auf den ersten Blick nicht gedacht. Klar! Ist eben nicht alles schwarz/weiß. Bietet viel Diskussionsstoff…

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  11. Ich glaube inzwischen, dass vom eigenen Verhalten mehr bei den Kindern ankommt, als man glaubt. Ich bin total hinterher, dass meine Kinder bitte+danke usw. sagen. Klappt zuhause natürlich nicht. Bekomme aber von anderen Eltern, wenn meine Kinder zu Besuch waren, immer wieder die Aussage, wie toll sie es fänden, dass meine Kinder so höflich seien. Letztens hat sich mein Neunjähriger bedankt, als man uns im Kaufhaus die Tür aufgehalten hat. Einfach so, das kam wirklich spontan. Und umgekehrt habe ich letztens zwei Teenager (und ihren Vater) zusammengestaucht, die sich beim Berliner Halbmarathon an der Strecke über einen alten Mann lustig gemacht haben, der sichtlich fertig die letzten fünf Kilometer schaffen wollte. Da habe ich mir den Vater zur Brust genommen. Kein Wunder, wenn solche Kinder keinen Respekt haben.

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